Die Ereignisse um den G20-Gipfel müssen sorgfältig und differenziert aufgearbeitet werden. Offenkundig hat die ausgeübte Gewalt vielfältige gesellschaftliche Ursachen. In Strafverfahren gegen einzelne Beschuldigte wird man wie in jedem anderen Strafverfahren auch konkrete Schuldfeststellungen zu treffen haben und gegebenenfalls die Hintergründe und Zusammenhänge etwaiger Taten und Personen aufklären müssen.
Wir rufen dazu auf, auch in der Öffentlichkeit von pauschalen Bewertungen Abstand zu nehmen und einen auf Vernunft und Recht gegründeten Maßstab anzulegen. Plakative Forderungen nach „harten Strafen“ werden diesem Maßstab ebenso wenig gerecht wie die eine oder andere Erklärung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in den letzten Tagen.
Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger hat sich mit mehreren Kolleginnen und Kollegen an dem von anderer Seite organisierten anwaltlichen Notdienst beteiligt. Wir haben die Arbeit der Polizei in der Gefangenensammelstelle in Harburg und die Arbeit der Gerichte in der dort geschaffenen Außenstelle Neuland erfahren und beobachtet.
Von der Polizei sind rechtstaatliche Standards in vielen Punkten nicht beachtet worden. Vom polizeilichen Gewahrsam betroffene Personen wurden an der Kontaktaufnahme zu Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten behindert. Gespräche mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten wurden optisch überwacht. Trotz dieser optischen Überwachung wurden die Betroffenen vor und nach dem Anwaltsgespräch durchsucht, mussten sich teilweise entkleiden. Auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wurden durchsucht. Vorführungen vor das zuständige Gericht erfolgten mit erheblicher zeitlicher und sachlich nicht gerechtfertigter Verzögerung. Transporte der Betroffenen auf dem mit Zäunen und Nato-Draht gut gesicherten Gelände erfolgten ohne jeden nachvollziehbaren Grund mit Handfesseln und hatten demütigenden Charakter.
Das Amtsgericht Hamburg hat die Verfahrensregeln eingehalten und mit uns kooperativ zusammengearbeitet. Kritik gibt es aus unserer Sicht allerdings inhaltlich. So wurden aufgrund der genannten Verzögerung der Polizei gestellte Anträge auf unverzügliche gerichtliche Entscheidung über die weitere Freiheitsentziehung betroffener Personen von den zuständigen Richterinnen und Richtern nicht beschieden. Darin sehen wir eine Beeinträchtigung des Grundrechts der Betroffenen auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Für den Vorstand:
Tim Burkert