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Stellungnahme zur Schließung der Sozialtherapeutischen Anstalten

Im Jahr 2005 wurden durch den damaligen Justizsenator Roger Kusch die bewährten sozialtherapeutischen Justizvollzugsanstalten Bergedorf und Altengamme sowie die Übergangseinrichtung Moritz-Liepmann-Haus geschlossen. Fachliche Gründe gab es dafür nicht. Die Arbeitsgemeinschaft hatte deshalb den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg aufgefordert, diese Fehlentscheidung zurückzunehmen.

Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. protestiert gegen die geplante Schließung der Sozialtherapeutischen Anstalten Altengamme und Bergedorf sowie der Übergangsanstalt Moritz-Liepmann-Haus. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wird aufgefordert, die Entscheidung zurückzunehmen.

Geht es nach dem Willen des Justizsenators Dr. Roger Kusch, werden die beiden sozialtherapeutischen Anstalten Hamburgs in Altengamme und in Bergedorf geschlossen. Stattdessen sollen in anderen Anstalten sozialtherapeutische Abteilungen entstehen.

Dieses Vorhaben verstößt gegen das Strafvollzugsgesetz. Gemäß § 123 Abs. 1 i. V. mit § 9 Strafvollzugsgesetz sind die Bundesländer verpflichtet, selbständige sozialtherapeutische Anstalten getrennt von den anderen Justizvollzugsanstalten einzurichten. Untergeordnete, sozialtherapeutische Abteilungen in anderen Justizvollzugsanstalten sind gemäß § 123 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz ausdrücklich nur in Ausnahmefällen zulässig. Die Schaffung sozialtherapeutischer Abteilungen anstelle selbstständiger Anstalten bedarf deshalb besonderer Gründe inhaltlicher Art. Finanzielle Gesichtspunkte reichen dafür nicht aus.

Inhaltliche Gründe für die Schließung der sozialtherapeutischen Anstalten gibt es nicht. Im Gegenteil:

Aus unserer beruflichen Erfahrung als Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger wissen wir, dass die Sozialtherapeutische Anstalt Altengamme und die Sozialtherapeutische Anstalt Bergedorf bewährte, außergewöhnlich erfolgreiche und bundesweit anerkannte Einrichtungen des Hamburger Strafvollzugs sind.

Die Sozialtherapeutische Anstalt Altengamme ist die älteste sozialtherapeutische Anstalt Deutschlands. Noch im April 2004 feierte die Justizbehörde das 35 jährige Bestehen dieser Anstalt. Die Sozialtherapeutische Anstalt Altengamme besteht bereits seit 20 Jahren.

Beide Einrichtungen praktizieren Sozialtherapie als umfassende, besonders intensive Methode der Behandlung von Gefangenen. Die unterschiedlichen Bereiche des Anstaltslebens, die Wohngruppe, das Soziale Training bzw. die Therapie, die Arbeit oder Ausbildung und die Freizeit werden dabei soweit wie möglich individuell auf die vielfältigen Problembereiche der Insassen abgestimmt. Die Mitverantwortung und Mitarbeit des Personals und der Gefangenen wird durch besondere Organisationsformen gefördert. Die Überleitung in das Leben außerhalb des Vollzuges wird besonders intensiv durch Außenkontakte und Vollzugslockerungen vorbereitet und begleitet.

Der dadurch erreichte Erfolg der sozialtherapeutischen Anstalten ist messbar und bewiesen. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen, dass verglichen mit Gefangenen, die aus dem Regelvollzug entlassen wurden, Gefangene aus sozialtherapeutischen Anstalten durchschnittlich 11% weniger rückfällig wurden.

Nicht weniger bewährt hat sich die Übergangsanstalt Moritz-Liepmann-Haus. Diese Anstalt bietet Gefangenen mit einer längeren Freiheitsstrafe die Möglichkeit, schrittweise wieder außerhalb der Anstalt Fuß zu fassen, einer Arbeit nachzugehen, eine eigene Wohnung zu suchen und sich nach und nach von der Anstalt zu lösen.

Die Sozialtherapeutischen Anstalten und das Übergangshaus leisten damit besonders wichtige Beiträge zum gesetzlich festgelegten Strafvollzugsziel: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel).“(§ 2 Strafvollzugsgesetz)

Die vorhandenen sozialtherapeutischen Anstalten und die Übergangsanstalt können nicht durch untergeordnete Abteilungen in anderen Anstalten ersetzt werden. Der Gesetzgeber fordert mit gutem Grund von den Ländern, organisatorisch selbstständige sozialtherapeutische Anstalten vorzuhalten. Wirkungsvolle therapeutische Konzepte in einem lebensnah gestalteten und nach außen sich öffnenden Anstaltsrahmen können nicht hinter den Mauern von Großanstalten verwirklicht werden. Die Verminderung des Rückfallrisikos kann nur verwirklicht werden mit gut strukturierten, intensiven sozialtherapeutischen Programmen.

Der Justizsenator wurde bereits durch den offenen Brief der Vorsitzenden Richter der Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Hamburg vom 18.6.2004 und durch den offenen Brief der zehn Professoren des Instituts für Kriminalwissenschaften der Universität Hamburg auf die sachlichen Gründe hingewiesen, die gegen die Schließung der sozialtherapeutischen Anstalten und der Übergangsanstalt sprechen. Die behauptete finanzielle Entlastung, auf die es aufgrund des klaren gesetzlichen Auftrages nicht ankommt, ist ebenfalls bereits widerlegt worden.

Die Aufgabe des Justizsenators der Freien und Hansestadt Hamburg ist es, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben die Mittel und Strukturen vorzuhalten, die notwendig sind, um den Strafvollzug in die Lage zu versetzen, das Vollzugsziel zu erreichen. Dieser Aufgabe wird der Justizsenator nicht gerecht. Er zerstört erfolgreiche Strukturen, die dem Strafvollzugsziel dienen. Mit der Schließung der sozialtherapeutischen Anstalten bricht er das Strafvollzugsgesetz.

Dieser Vorgang ist von grundsätzlicher und allgemeiner Bedeutung. Wir fordern deshalb den Senat auf, sich mit dem Thema zu befassen, die Entscheidung über die Schließung der sozialtherapeutischen Anstalten und der Übergangsanstalt zurückzunehmen und den Bestand dieser Anstalten zu garantieren.

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